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Presseberichte Ausstellung Wattenwil 2018

Verbeugung für die erhabenen Natur

Mark Imboden, Thuner Tagblatt

«Um sechs Uhr morgens war es noch dunkel», beginnt Tjeerd Coehoorn seine Erzählung von einem Erlebnis auf der Insel Kirr an der deutschen Ostseeküste. «Als es etwas heller wurde, erhob sich eine ganze Kranichfamilie, stieg in die Höhe, nahm ihre spezifische Formation ein, bei der die älteren Weibchen die Spitze bilden, und flog gegen den Morgenhimmel davon.» Coehoorn hatte seine Kamera dabei und machte Bilder, die schliesslich den Ausgangspunkt für eines seiner Gemälde bildeten, die im Ortsmuseum Wattenwil vom 2. September bis am 11. November ausgestellt sind.
Vögel über Vögel
Der Kranich ist der Lieblingsvogel von Tjeerd Coehoorn. In der Dichtung steht er symbolisch für das Erhabene der Natur, und folgerichtig hat der Maler auch andere Vögel gemalt, etwa den eleganten Löffler mit seinem auffälligen Schnabel, den geheimnisvollen Uhu, den edlen Silberreiher und die unspektakuläre Thunerseeentenmutter mit ihrem Nachwuchs.
Ewig lockt das Meer
Doch nicht nur Tiere machen die Natur aus – da gibt es Blumen, Bäume, Wiesen, Seen, Berge und natürlich das Meer, Sehnsucht der Binnenlandbewohner und Heimatmetapher der Küstenvölker. «Das Meer ist mir sehr wichtig», betont der Heimwehholländer Coehoorn denn auch. Im Ortsmuseum zeigt er Impressionen von den Ostseeinseln Rügen, Usedom und Kirr ebenso wie vom Wasser des Thunersees und der Gürbe, eines Schlossteiches in Letland und – in gefrorener Form – eines Kanals in Holland. Ein weiteres wichtiges Motiv von Tjeerd Coehoorn ist das Reich der Blüten. In grossformatigen Werken festgehalten ist beispielsweise eine Tulpe, die Nationalblume Hollands und wichtiges Exportprodukt. Doch zwischen Coehoorn und Tulipa gab es keine Liebe auf den ersten Blick. Es dauerte einige Zeit, bis der Maler den Reiz dieser Liliengewächse zu schätzen wusste. In den Blumenbildern wird der Einfluss von Claude Monet, Coehoorns Lieblingsmaler, sichtbar, aber auch jener von Vincent van Gogh.
Bilder zu Kindergeschichten
Die Ausstellung im Ortsmuseum Wattenwil zeigt die grosse technische Bandbreite, über die Tjeerd Coehoorn verfügt. Neben den Ölbildern auf Faserplatten gehören auch filigrane Tuschzeichnungen und Aquarelle zu seinen Gestaltungsmitteln. Auch thematisch hat er mehr zu bieten als die Natur in ihren verschiedenen Formen und Schattierungen. Da finden sich alte Wattenwiler Häuser, die zum Teil nicht mehr existieren, ebenso wie moderne Windräder und Illustrationen für Kinderbücher. «Als meine Tochter noch klein war, erzählte ich ihr vor dem Einschlafen jeweils Geschichten, die ich aus dem Stegreif erfand», blickt Coehoorn einige Jahrzehnte zurück. «Irgendwann begann ich, die Handlung grafisch umzusetzen. Neben seinen Werken sind im Ortsmuseum Wattenwil auch einige kleinere Skulpturen seines Ateliernachbarn Nikolaus Kümmel zu sehen.

Wände bemalen, Verputze auftragen, Räume tapezieren – das lernt, wer sich in der Schweiz zum Maler ausbilden lässt. Als der 1943 in Friesland-Niederlanden geborene Tjeerd Coehoorn diese Berufslehre machte, war es – zumindest in Holland – anders. «Wir mussten auch zeichnen, uns mit Perspektive und grafischen Technniken vertraut machen und uns in den verschienen Kunstmaltechniken üben», erinnert sich Coehoorn. Ganz neu war dies nicht für ihn, denn den ersten Kontakt zur Malerei hatte er durch einen Schulkollegen, dessen Vater Kunstmaler war. Nach der Malerlehre bildete sich Coehoorn zum Farbentechniker und Laboranten in einer Farbenfabrik weiter. «Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Entwicklung neuer Produkte, und dabei konnte ich mir meine eigenen Ölfarben herstellen. Mehrere Dutzend Tuben habe ich damals für meinen Privatgebrauch abgefüllt. Ein paar habe ich noch und benutze sie auch hin und wieder für meine Bilder.» Weil Coehoorn das Leben als nie endenden Lernprozess betrachtet, bildete er sich zum Kulturpädagogen mit Schwerpunkt Jugend- und Gemeinwesen weiter und erhielt1973 eine Anstellung in einem Jugendhaus in Basel. Später arbeitete er mehrere Jahre in Heimen, wurde danach Berater für suchtgefährdete Menschen in Baden und Mühlethurnen und zog mit seiner Familie 1982 nach Wattenwil. 1987 stieg er aus der Sozialarbeit aus und gründete in Wattenwil ein Druckerei- und Grafikatelier, gestützt auf die Erfahrungen, die er als13-Jähriger in einer Schriftsetzer-Anlehre gemacht hatte. Seit 2008 ist Tjeed Coehoorn pensioniert und kann sich nun noch stärker der Malerei widmen.

Kräftige Farben für grossartige Naturmotive

Rita Antenen, Berner landbote

Wattenwil, Das Ortsmuseum Wattenwil zeigt Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen von Tjeerd Coehoorn. Die Bildmotive sind geprägt von kräftigen, hellen Farben.

Die ausgestellten Werke zeigen Landschaften, Blumen, zahlreiche Motive, welche der Maler vor seiner Haustüre oder auf seinen Reisen im In - und Ausland gefunden hat, auf. Auffallend dabei ist, dass Tjeerd Coehoorn mit hellen und kräftigen Farben arbeitet. Seine Blumenbilder sind Motive, welche er aus seinem Garten, welchen er, als er noch in Wattenwil zu Hause war, hegte und pflegte. Die Tulpenbilder strahlen eine unbeschreibliche Schönheit aus und erinnern daran, dass diese Blume eine wundervolle, farbenfrohe Frühlingsbotin ist. In der Natur fühlt sich der Künstler wohl: „Ich versuche die Schönheit und Liebe zur Natur einzufangen und auf die Leinwand zu bringen.“ Sein Lieblingsmotiv sind die Kraniche: Das ungewöhnliche Verhalten dieser Vögel faszinieren mich. Es beeindruckt mich, wie sich die Tiere die Nahrung beschaffen.“ Eindrücklich erzählt er, wie er an der deutschen Ostseeküste früh morgens, als es noch dunkel war, unterwegs war. „Als der Tag anbrach, erklang ein trompetenhaften Ruf und eine ganze Kranichfamilie stieg in die Höhe, nahm eine besondere Formation an und flog gegen den Morgenhimmel davon.“ Coehoorn hat dieses Erlebnis auf Leinwand gebracht, aber auch Schwäne, scheue Uhu und verfressene Silberreiher gehören zu seinen Motiven. Ebenso das Meer, liebliche Dünen oder unentdeckte Landschaften haben es ihm angetan.
Grosse Sammlung von Bildern
Seit seiner Pensionierung im Jahr 2008 hat sich das Malen intensiviert. Im Jahr 2015 hat Tjeerd Coehoorn angefangen grosse Bilder zu malen. Inzwischen beträgt die Sammlung rund 400 Bilder. „Ich mag alle meine Bilder gerne“, sagt der vielseitig interessierte Künstler. Eines seiner ersten Bilder, welches er mit 13 Jahren gezeichnet hat, zeigt ein Blumenmotiv auf. Sein Vater, so erwähnt Coehoorn in seine Biografie, brachte ihm in der Kindheit die Natur nahe. Beeindruckend ist auch die illustrierte Kindergeschichte mit der Maus, welche durch das Geschichtenerzählen bei seiner damals 3-jährigen Tochter entstanden ist. Durch die flexible Anwendung mit verschiedenen Maltechniken entstanden bislang viele Werke in unterschiedlichen Stilen.
Verbunden mit Wattenwil
Im Jahr 1982 zog Coehoorn mit seiner Familie nach Wattenwil. Im Amt Seftigen war er bei der Beratung Suchtkrankenhilfe (heute Berner Gesundheit) tätig. Rund 5 Jahre später wagte er den Schritt in die selbständige Tätigkeit als Grafiker mit eigenem Atelier und Druckerei. Die jungen Menschen lagen ihm jedoch sehr am Herzen und er setzte sich für sie ein. So war er auch massgeblich daran beteiligt, dass die Baracca (heutiges Jugendwerk) entstanden ist. Auch gestalterisch hat sich der gebürtige Holländer mit seinem Wohnort auseinandergesetzt. In seiner Ausstellung finden sich die mit viel Geduld und Ruhe entstandenen Tuschzeichnungen von alten Wattenwiler Häusern, welche zum grossen Teil nicht mehr vorhanden sind. Perfekt dazu ergänzen sich die kleinen, modernen Skulpturen von Nikolaus Kümmel und harmonieren mit den naturverbundenen Werken von Tjeerd Coehoorn wunderbar.